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Chicorée - 1966

Von Urban Gwerder, 1966

CHICOREE ist das erste von drei Künstlerporträts, die Fredi M. Murer von 1966–69 drehte. Protagonist ist der Zürcher Poet Urban Gwerder. Assoziativ montiert, realpolitische und religiöse Motive parodierend und in Anlehnung an den Surrealismus zeigt Chicorée in Schwarz/Weiss Alltagsszenen aus Gwerders Familienleben, während die Ausflüge in seine Traumexistenzen farbig sind. Gwerder erweist Slavador Dalí, John Lenon, Frank Zappa und andern Seelenverwandten die Ehre. Rückwärts durch den Ostermarsch laufend und eine Tafel mit dem Text «Wollt ihr den totalen Urban?» mit sich tragend, mokiert er sich über die herkömmlichen Formen des gesellschaftlichen Protests. Seinen Höhepunkt findet CHICOREE in einer «Action Painting»-Szene, an deren Ende Gwerder durch die Leinwand springt und im «dickflüssigen Gold» landet. 

CHICOREE war des erste Experimentalfilm (16mm) des damals 26jährigen Fredi Murer, der - nach preisgekrönt in Amsterdam, Oberhausen und Knokke-le Zoutte - hierzulande Furore machte.... Ein Null-Budget-Streifen, jede Einstellung nur einmal gedreht, bei laufend entstehendem Drehbuch/Konzept innert 3 Wochen fertig gestellt! CHICOREE war fester Bestandteil von «POËTENZ»», einer durch Urban Gwerder initiierten multimedialen Poseie-Show. (Den Begriff «Performance» existierte damals noch nicht.) Der Film wurde bei jeder Performance von neuem live vertont durch Jelly Pastorini (Orgel) und Bruno Steiner (Drums). eine solche Aufnahme ist seither die Tonspur des Films. Dank Murers angeborenem Kamera-Auge & seiner unorthodox-subkulturellen Schnitt-Technik noch heute ein schneller Film – zeitlos.

Und weil wir beim Drehen sehr konzentriert arbeiteten, tranken wir Unmengen schwarzen Kaffees. Ich nippte gerade wieder einmal an einer solchen Brühe, die ausgesprochen bitter war und besonders viel Zichorie aus der blau-gelb-gestreiften «Frank Aroma» Packung enthielt, als Fredi, meiner Frau, Tina, und mir praktisch gleichzeitig die Idee kam, unseren Film CHICOREE zu nennen.» – Er wird immer wieder neu entdeckt (nach 68 von der 80er Bewegung über Zaffaraya bis zur Videoclip/Millenium Generation. – Damit haben wir nie gerechnet, aber wir haben es gewusst.

Urban Gwerder / MCMXCIC

Text zur limitierten CHICORÉE DVD-Edition:
300 Exemplare, handsigniert von Fredi M. Murer und Urban Gwerder (vergriffen)

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Besprechung von Felix Aeppli

NZZ am Sonntag 19.4.2009

Elf Fragmente aus dem Leben des Zürcher Underground Poeten Urban Gwerder assoziativ und augenzwinkernd in Szene gesetzt in einem nicht ganz halbstündigen Experimentalfilm. Fredi Murers CHICOREE ist ein Schlüsselwerk des damaligen Neuen Schweizer Films ein filmisches Bijou obendrein, welches glücklicherweise seit kurzem auf DVD zugänglich ist. Es geht in diesem Film um Autonomie und Selbstverwirklichung und gelegentlich bricht reine Anarchie durch, etwa in der Geschirr Reinigungs-Sequenz im Schwarzweiss-Alltag des Films oder im farbig gedrehten Ausschnitt aus einem Ostermarsch, in dem sich Gwerder mit einer Schrifttafel «Wollt ihr den totalen Urban» als einziger Teilnehmer der Kundgebung vorwärtsbewegt. Doch Fredi Murer macht kein kopflastiges Politkino, sein Film lebt vom Bild und von der Montage. Höhepunkt in dieser Hinsicht ist eine Action Painting Szene gegen Ende des Films die auch den grandios montierten Abspann von CHICOREE enthält Die relativ kurze Spieldauer (27 Minuten, Musiktonspur Jelly Pastorini, ohne Dialog) wird auf der DVD kompensiert durch eine hervorragende Digitalisierung des 16 mm Bildmaterials durch eine ansprechende Covergestaltung sowie durch kunstvolle Tusch Signaturen des Gespanns Murer/Gwerder die den ersten 300 Exemplaren der Ausgabe beiliegen.

 

Credits/Cast

Regie, Kamera, Schnitt: Fredi M. Murer
Konzept, Drehskizzen: Fredi M. Murer, Urban Gwerder
Musik: Jelly Pastorini, Elekrtoorgel / Bruno Steiner, Drums

Produktionsjahr: 1966
Ton: Musik
Dauer: 28 min
Originalversion: Farbe und Schwarz-Weiss, 16 mm
Verleih: FMM FIlm Verleih

Cast:
Urban, Tina & Wanja Gwerder

 

Werkfotos

 

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