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Vitus - 2006

Wirf den Hut über den Bach

Mit «Vitus» hat Fredi M. Murer einen Film über ein Wunderkind gedreht, der Spiel und Zeitbild in einem ist. Die extreme Begabung als Glück und Qual, die Fürsprache für das Kindsein und die Kritik an einer einseitig materiell gepolten Welt: Dies sind die Elemente eines packenden und bewegenden Films voller Überraschungen.



«Ach, diese Jugend! Wenn das nur gut kommt!» Ein Knabe wirft kurz entschlossen seine Tasche über einen hohen Maschendrahtzaun und klettert seinerseits in das Flugplatzareal. Zielstrebig besteigt er eine einmotorige Maschine, startet sie und schwingt sich zum Entsetzen eines Mechanikers in die Lüfte. Ein fehlerloser Start! 

Und ein virtuoses Präludium zum Film «Vitus» von Fredi M. Murer, das die eingangs erwähnten Bemerkungen provozieren könnte, aber darüber hinaus die Zuschauenden - zwischen Furcht und Staunen - in die Weite zwischen Himmel und Erde katapultiert. Hier ist der Lebensraum und der Gedanken Freiheit, hier ist das Spielfeld der Geschichte. Wichtiger aber ist, dass unser Kindertraum vom Fliegen geweckt wird, noch ehe Fredi M. Murer zu erzählen beginnt. 

Alle Kinder sind Wunder, doch Wunderkinder sind glücklicherweise nicht alle. Vitus ist eines, ohne Zweifel. Er hat ein übersensibles, ein absolutes Gehör und spielt schon im Kindergartenalter Klavier. Er will und er kann verstehen. Weder das Lesen, noch das Kombinieren machen ihm irgendwelche Schwierigkeiten. Die Eltern wählen für ihn eine einzigartige Musikerkarriere. Aus den Wünschen der Mutter flüchtet sich Vitus zu seinem Grossvater, um in dessen Schreinerei Flugzeuge zu basteln und Kind zu sein, ganz einfach Kind. Als Genie grenzt er sich aus, als Wunderkind verliert er durch die Eltern sein natürliches Beziehungsgeflecht. Allein der Grossvater weiss uni des Knaben Nöte und gibt seinem erdrückenden Können und Wissen den Boden jener überlieferten Weisheiten und Bilder, die wir nicht verlieren dürfen. Balance von Poesie und Realität Wenn er keinen Ausweg mehr sehe, müsse er den Hut über den Bach werfen, das heisst, sich von etwas Geliebtem und Geschätztem trennen, rät der Grossvater. Und Vitus begreift sofort. Von jetzt an geht es darum, das Menschsein, die Normalität zurückzuholen, Kind sein zu dürfen, ohne den Traum vom Fliegen zu opfern. Vitus schöpft nun auch als so genannt Normaler seine Begabung voll aus, ohne dass die Erwachsenen sein nicht minder virtuoses Lebensspiel durchschauen würden. Aus dem filmischen Wunderkindermärchen wird ein fein und phantasiereich gezeichnetes Zeitbild, Spiegel und Netz zugleich. Indem er die Geschäfte der Erwachsenen als Spiele entlarvt und mit Witz unterläuft, gelingt es ihm, sich selbst und seine Kunst zu retten.

Fredi M. Murers Film «Vitus» ist eine faszinierende Geschichte, die uns fesselt und tief berührt: Unvergessliche Momente bescheren der junge Pianist Teo Gheorghiu und Bruno Ganz als Enkel und Grossvater, umgeben und getragen vom hochkarätigen Spiel der ganzen Besetzung. Hervorragend gelungen ist der Zusammenklang von Dialog, Musik und Bild. Vor allem hat Pio Corradi, Kamera, Fredi M. Murers feine Balance von Poesie und Realität, Sehnsucht und Enge, Fliegen und Bodenhaftung in adäquate Bilder umgesetzt, die so vertraut sind wie der Dialekt der Spielendenlenden und so gültig wie die überlieferten Weisheiten. 

Ein wunderbar feiner und hintergründiger Film, der uns daran erinnert, dass wir unser Kindsein nicht vergessen sollten und auch noch im Alter den Hut über den Bach werfen dürfen. Schön, wenn jemand sagt: «Ach, diese Erwachsenen oder diese Alten! Wenn das nur gut kommt!» Es kommt gut, wenn wir den Weg zur Wahrheit und zu uns selbst wagen.

Fred Zaugg, «Der Bund» vom 1. 2. 2006

 

Filmstills

 

Credits/Cast

Regie: Fredi M. Murer
Drehbuch: Peter Luisi, Fredi M. Murer, Lukas B. Suter
Kamera: Pio Corradi
Editing: Myriam Flury
Ton: Hugo Poletti
Sound Design: Jürg von Allmen
Rerecording Sound Mix: Jürg von Allmen
Musik: Mario Beretta
Ausstattung: Susanne Jauch
Kostüme: Sabine Murer
Licht: Ernst Brunner
Kostüme: Sabine Murer
Casting: Corinna Glaus

Weltpremiere: Februar 2006
Sprache: Schweizerdeutsch, fr/en
Dauer: 118 min
Originalversion: Farbe, Super 16
Produktion: Vitusfilm, SRG SSR, ARTE, Teleclub
Produzenten: Christian Davi, Christof Neracher, Fredi M. Murer

Darstellende:
Teo Gheorghiu
Bruno Ganz
Julika Jenkins
Urs Jucker
Fabrizio Borsani
Eleni Haupt

 

Festivals (Auswahl)

Zlin, 57th Zlin International Film Festival for Children and Youth, 2017
19th Osaka European Film Festival, 2012
Fünf-Seen-Land, 6. Fünf Seen Filmfestival, 2012
Cluj, 10. Transilvania International Film Festival Cluj & Sibiu, 2011
Pyongyang International Film Festival, 2008
13th Kolkatta Film Festival, 2007
Shanghai, 10th Shanghai International Film Festival, 2007
Seattle, 33nd Seattle International Film Festival, 2007
San Francisco, 50th San Francisco International Film Festival, 2007
New York, 6th Tribeca FilmFestival, 2007
Mar del Plata, 22. Festival Internacional de Cine de Mar del Plata, 2007
Gothenburg, 30st Göteborg Film Festival, 2007
Strasbourg, Augenblick Festival, 2007
Palm Springs, Palm Springs International Film Festival 2007
20th AFI FEST - AFI Los Angeles International Film Festival, 2006
Sao Paulo, 30th Mostra International Film Festival Sao Paulo, 2006
1. Festa internazionale del cinema di Roma, 2006
Vancouver, 25th Vancouver International Film Festival, 2006
San Sebastian, 54. Festival internacional de Cine, 2006
Montréal, 30e Festival des Films du Monde Montréal, 2006
Locarno, 59. Festival internazionale del film Locarno, 2006
22. Festival Internacional de Cinema Setúbal, 2006

 

Auszeichnungen (Auswahl)

Pyongyang International Film Festival, Special Screening Prize 2008
Ascunción, Festival Internacional de Cine Arte & Cultura, Publikumspreis 2008
Strasbourg, Augenblick Festival, "Augenblick"-Preis 2007
Berlin, Internationale Filmfestspiele Berlin, Bronzener Bär 2006
Los Angeles AFI Fest, Audience Award 2006
CINEMA Festival Internazionale del Film di Roma, Publikumspreis 2006
Chicago, Chicago International Film Festival, Audience Choice Award 2006
Solothurn, Bundesamt für Kultur, Swiss Film Award, Best Fiction Film 2007

 

Werkfotos

 

Storyboard

 

Filmplakat

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