Filmstills
Vision of a Blind Man - 1969
Am 21. Juni 1968, um 4 Uhr 30, lässt sich der Filmemacher von zwei Freunden abholen, stülpt sich eine lichtundurchlässige Schweisserbrille über die Augen, montiert eine 16mm-Arriflex auf die rechte Schulter auf Augenhöhe. An diesem längsten Tag des Jahres lässt sich Murer an 21 ihm unbekannte Drehorte chauffieren, wo er «nach dem Gehör» filmt und laut vor sich hin denkt. Irgendwie muss es auch einen Energiesatz der Sinnesenergien geben, nimmt er an; Blinde werden besser hören als Sehende.
Dieser Film sei «Grundlagenforschung», hat Murer bei der Uraufführung erklärt. Tatsächlich weist Vision of a Blind Man voraus auf verschiedene «Anwendungen» im kommenden Werk: auf den «Extraterrestrischen» mit eingebauter, bzw, eingewachsener Kamera und Tonband, der sich in Swissmade - 2069 ein Bild der Schweiz machen will, auf die Menschen, die in «Wir Bergler in den Bergen...» ihre eigenen Worte hören und prüfen, auf den Abhör-Spezialisten Alfred M. in Grauzone, auf den stummen Buben in Höhenfeuer, auf die 5 blinden Menschen im Dokumentarfilm «Sehen mit anderen Augen 1987 (über Blinde, die mit einem Führhund leben) - auf den blinden, visionären Klavierstimmer Sandmeyers in Vollmond. Seine Erzählung der Geschehnisse, die er am Seeufer «gesehen» hat, sind Reinschriften dessen, was Murer selbst, blind filmend am 21. Juni 1968, ins Mikrofon sagt: “Die Sonne muss scheinen, ich spüre ihre Wärme durch meinem schwarzen Pullover, sie scheint von hinten auf mich. Offenbar stehe ich unter Bäumen, ich höre Vogelgezwitscher, ich höre Wassergeräusche, Wasservögel gibt es auch, Enten, Möwen. Ich versuche nun eine mit dem Zoom heranzuholen”. Der «blinde» Filmemacher steht, wie der Zuschauer sieht, mitten in einer Riedlandschaft, unter Birken.
Martin Schaub
Credits
Der experimentelle Film verzichtet auf eine eigentliche Montage;
Murer hat das belichtete Material chronologisch aneinandergeklebt und den Ton synchron angelegt.
Konzept und Kamera: Fredi M. Murer
Ton: Christian Kurz
Assistent: Renzo Schraner
Original Version: Schweizerdeutsch
Tonversion: FR Voice-over
Format: Farbe, 16 mm
Dauer: 22 min (Originalversion 16 mm: 90 min.)
Produktion: Fredi M. Murer